Kakteen Haage Webseite
Viele später bekannte Persönlichkeiten des Erfurter Gartenbaus machten ihre Ausbildung bei Haage. Obwohl ich keine Kakteenliebhaberin bin, reizte es mich, den Betrieb zu besuchen. Freundlicherweise gestattete man mir auch den Blick in den Raum mit dem Kakteenmuseum.
Hans Peter Haage (1660–1725) machte sich 1685 in Erfurt als Gärtner selbstständig, später folgten Martin Haage (1695–1771), Johann Heinrich Haage (1737–1803) und Johann Nikolaus Haage (1766–1814).
Seine Ausbildung erhielt Friedrich Adolf [Adolph] Haage (1796-1866) beim bekannten kurfürstlichen Hofgärtner Johann Heinrich Seidel am Dresdner Hof unter Friedrich August von Sachsen. Aus dieser Zeit ist die erste Verbindung der Haage-Dynastie zu Kakteen dokumentiert; der junge Friedrich Adolf übernahm die Pflege der Kakteensammlung in der Hofgärtnerei.
Gründer Friedrich Adolf (1796-1866) fotografiert im Kakteenmuseum
Berühmt war Haage damals noch für seine Brunnenkresse. Heute erinnert in Erfurt die Villa Haage im Kressepark an diese Geschichte. (Leider reichte die Zeit nicht, auch auch dorthin zu fahren). Friedrich Adolf Haage setzte als einer der ersten deutschen Handelsgärtner auf Zeitungsannoncen als Werbemedium und war mit seiner 1824 erschienenen Versandliste maßgeblich an der Entwicklung des gärtnerischen Versandhandels im Gartenbau beteiligt. Unter seiner Führung waren Kakteen zunächst nur ein kleiner Teil des Sortiments, ihnen aber gehört seine Leidenschaft. Innerhalb kürzester Zeit baute er eine der umfangreichsten Sammlungen auf, wurde zu einem der führenden Kenner dieser Kultur und begann mit der kommerziellen Kakteenzucht. Alexander von Humboldt und auch Johann Wolfgang von Goethe zählten zu den berühmten Besuchern von Kakteen-Haage.
Unter dem Nachfolger Ferdinand Friedrich Adolf Haage ((1859-1930) wuchs der Betrieb dann zu einer international renommierten Adresse für Kakteen heran. Als Publizist vieler Artikel und auch in hoher Auflage erschienen Kakteenbücher machte der Nachfolger Walther Haage (1899-1992) sich einen Namen in der Fachwelt.
Preiskatalog 1919 fotografiert im Kakteenmuseu; man beachte: auch Gemüse war im Angebot!
Zu DDR-Zeiten mußte Walther Haage erst (1961) eine staatliche Beteiligung zulassen, 1972 fiel Kakteen-Haage der letzten Enteignungswelle zum Opfer. In Ermangelung einer anderen, ausreichend qualifizierten Person wurde jedoch 1972 die Leitung der "Brigade Kakteenzucht des Volkseigenen Gutes Saatzucht Zierpflanzen", wie Kakteen-Haage nun hieß, Walthers Sohn Hans-Friedrich Haage (1942) übergeben. 1990 beantragte dieser nach der Wende bei der Treuhandanstalt die Reprivatisierung des Betriebes. Auch Hans Friedrich veröffentlichte etliche Kakteenbücher.
Der heutige Inhaber Ulrich Haage (1970) übernahm, nach Beschäftigung in international führenden Sammlungen, wie im Royal Botanic Gardens Kew in London und der Städtischen Sukkulentensammlung in Zürich, Betrieben auf den Kanarischen Inseln, in Guatemala, den Niederlanden und in Deutschland, im 175. Jahr des Bestehens, 1997 den Betrieb.
Ulrich Haage vor dem Schaubeet der Firma Kakteen-Haage
Wenn ein Koch, Inhaber eines mexikanischen Restaurants (Kakteen kommen aus Mexiko) und ein Kakteengärtner zusammentreffen... dann muss etwas Außergewöhnliches herauskommen! Anlässlich des Firmenjubiläums richtete er das erste, heute schnell ausgebuchte und begehrte Kakteenessen im festlich illuminierten Gewächshaus aus. Sein in seiner Gärtnerei erworbenes, 2006 erschienenes
Kochbuch Kaktus
habe ich inzwischen mit großem Vergnügen gelesen - hier klicken. Ulrich Haage schuf - zeitgemäß - im Internet einen Onlineshop für das Pflanzenangebot der Firma, ein Kakteenforum, einen Cactusblog und ist bei Facebook aktiv. Außerdem setzt er die Tradition des Kakteen-Bücher-Schreibens fort und gründete 2005 den HAAGE-Kakteen-Verlag.
Hier der Link zu den Büchern der verschiedenen Haage-Inhaber: Haage - Kakteenbücher - und hier mehr zur Geschichte der Gärtnerdynastie Haage
Kakteenbriefmarken (fotografiert im Kakteenmuseum)
Mir gefielen diese Kakteenblüten besonders gut.
Gärtnerdynastie Blumenschmidt
Preisbuch der Firma (fotografiert im Gartenbaumuseum)
1823 folgte in Erfurt dann J. C. Schmidt ((Johann Christoph, 1803-1868) mit seinem Gartenbaubetrieb, der als "Blumenschmidt" bekannt wurde. Johann Christian Schmidt gehörte zu den aktiven Gründungsmitgliedern des "Erfurter-Gartenbau-Vereins" (1838), der für fachlichen Austausch sorgte, Ausstellungen vorbereitete und an der Gründung der "Thüringer Gartenbauzeitung" beteiligt war. 1840 konnte er bereits 192 von ihm selber gezüchtete Georginensorten (damals nannte man die Dahlien Georginen) präsentieren; das Preisverzeichnis von 1843 verzeichnete bereits 360 Dahliensorten. Im eigens dafür gegründeten Verlag gab man ab 1900 die Reihe der mit chromolithen Farbtafeln prachtvoll illustrierten "Erfurter Führer im Obst- und Gartenbau" heraus. Der Titel von Arthur Pekrun "Rationeller Schnitt aller Obstbaumformen, Pfirsichschnitt und Weinschnitt" (1904) wurde preisgekrönt mit der goldenen Medaille der Königlichen Gartenbaugesellschaft Flora. Die jährliche Herausgabe eines Abreißkalenders mit Gartenratschlägen erreichte 1925 eine Auflage von 350.000 Exemplaren. Schmidt züchtete und vertrieb auch Rosen.
Allerdings gehörte Blumenschmidt zu jenen Gartenbauunternehmen, die die großen Beeinträchtigungen durch Ersten Weltkrieg und Krise der Weimarer Republik nicht überstanden. 1926 musste die Firma Bankrott anmelden und wurde 1929 Tochterfirma des Gartenbauunternehmens Benary (siehe unten). Mehr über die Firma Blumenschmidt hier.
Gärtnerdynastie Benary Webseite
1843 kam, nach seiner Ausbildung bei Friedrich Adolph Haage (siehe oben) in Erfurt die Gärtnerei Ernst Benary (1819-1893) dazu.
Zwischen 1876 und 1893 sendete die Firma in neun Einzellieferungen Blätter mit den gängigen Gemüsesorten an ihre Kunden und Gartenbaufreunde in vielen Ländern, die große Anerkennung auch in der der Fachwelt erhielten und enthalten sind in dem von Jürgen Dahl herausgegebenen Buch
"Album Benary Alte Gemüsesorten"
Nach seinem Tode erlebte die von seinen Söhnen Friedrich (1850-1917) und John (1853 — 1926, es gibt eine Kniphofia 'John Benary') weitergeführte Firma als erfolgreichsten Erfurter Samenzuchtfirma vor dem Ersten Weltkrieg 1914/18 den Höhepunkt ihrer Entwicklung. John`s Buch "Die Erziehung der Pflanzen aus Samen. Ein Handbuch für Gärtner, Samenhändler und Gartenfreunde" erlebte als Standardwerk drei Auflagen. Gregor Mendel soll die Erbsensamen für seine berühmten genetische Experimente bei Benary gekauft haben.
Die Emailschilder der Firma sind heute begehrte Sammelobjekte.
1908 widmete der berühmte deutsche Rosenzüchter Peter Lambert der Firma eine Rose: Rose Benary und vor 1910 kam die die von Benary gezüchtete Rose 'Gardenaeflora auf den Markt.
1929 verschmolz wie oben erwähnt Blumenschmidt mit der Firma Benary. Damit rettete das Unternehmen Benary zwar ein bedeutendes Gartenbauunternehmen, schloß damit aber auch einen Konkurrenten aus. "Blumenschmidt" wurde daraufhin als Tochterunternehmen in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt und als kaufmännischer
Leiter Dr. Wilhelm Benary (1888-1955) berufen. 1934 kam die Züchtung der ersten triploiden F1-Hybride der Welt: Begonia semperflorens 'Tausendschön' auf den Markt
Die beiden Firmen Benary und F.C. Schmidt liefen- enteignet - zu DDR-Zeiten unter dem Namen "Deutsche Saatzucht (DSG)" weiter.
Friedrich Ernst und Dr. Wilhelm John Franz setzen sich nach dem Krieg in den Westen ab uznd wagten mit Ernst Benary & J. C. Schmidt in Hann. Münden einen Neuanfang. Dort feierte man 1993 das "150-jähriges Bestehen". Ihnen gelang u. a. das weltweit erste orangene Stiefmütterchens Viola wittrockiana 'Tangerine'.
Viele Erfurter hatten sich nach der Wende ab 1990 - vergebens - eine "Heimkehr" der Firma Benary nach Erfurt erhofft. 1993 feierte die heute noch bestehende Firma unter der Leitung von Ernst Günter Benary und Christian Börries in Hann. Münden ihr "150-jähriges" Bestehen.
Im Jahr 2000 wurde das Denkmal für Ernst Benary - zwei nah beieinander geordnete steinerne Stelen, gestaltet von dem Erfurter Bildhauer Lutz Hellmuth - im Beisein von Rudolf Benary auf dem heutigen Benary-Platz im Benary-Park eingeweiht.
Benary Denkmal. Der Gedenkstein trägt die Inschrift: "Ernst Benary 1819 – 1893. Er gründete 1843 die gleichnamige Erfurter Firma für Gartensamen und Pflanzenzüchtung. Sie erlangte weltweite Bedeutung und behielt diese bis zu ihrer Enteignung 1952."
Benary-Park
Villa von John Benary am Benary-Platz in Erfurt. Heute wird das liebevoll restaurierte Gebäude als Schulungsstätte und Bürogebäude genutzt.
Mehr über die Gärtnerfamilie Benary
Gärtnerdynastie Chrestensen
1867 folgte in Erfurt die Gründung der heute noch bestehenden Firma Chrestensen - Webseite.
N. L. Chrestensen fotografiert im Gartenbaumuseum
Dem Gründer Niels Lund Chrestensen (1840-1914), einem Gärtnergehilfen aus dem dänischen Jütland widmete 1968 der Züchter Berger eine Rose: 'N. L. Chrestensen'
"Highlights" der Gründerzeit waren 1893 die mit der Großen Columbus Medaille geehrte Teilnahme an der Weltausstellung in Chicago 1884 die Inbetriebnahme der ersten Telefonverbindung vom Geschäftshaus zu den Produktionsstätten und 1896 die frühe, erfolgreiche Orientierung auf dem internationalen Markt mit der Gründung eines Verkaufsbüros 1896 in London.
Der florierende Samenhandel machte Chrestensen schließlich um die Jahrhundertwende zur Weltfirma. Chrestensen betreibt heute noch in der Erfurter Innenstadt im Stammhaus an der Marktstraße das nach eigener Aussage älteste Fleurop-Geschäft Deutschlands; 1908 war N. L. Chrestensen Mitbegründer von Fleurop.
Der Enkel Niels Chrestensen (1907–1990) und seine beiden Söhne konnten in der DDR-Zeit trotz Verstaatlichung in leitenden Positionen verbleiben.
Nach der Wende wurde das Unternehmen reprivatisiert. 1994 wurden das neue Lager- und Logistikzentrums am Nordwestrand der Stadt Erfurt geschaffen. Auf über 2600 ha Vermehrungsfläche und 10000 qm Glasfläche wird das angebotene Pflanzensortiment produziert. 2007 erschien die Festschrift im Selbstverlag: "1867 - 2007 140 Jahre N.L. Chrestensen, Erfurt - An der Wiege schöner Gärten!".
Frederick N. Chrestensen, der heutige Geschäftsführer, wurde 2011 vom dänischen Königshaus zum "Königlich Dänischen Honorarkonsul" von Thüringen berufen.
Hier mehr über die 'Geschichte der Gärtnerei Chrestensen
Eine noch junge Gärtnerei in Erfurt: Staudengärtnerei Poltermann (Webseite)
Siegmar Poltermann kenne ich als Ausstellerkollegen von Gartenveranstaltungen und wollte ihn deshalb einmal besuchen. Später im Gartenbaumuseum sah ich dann dieses Foto von ihm.
Nach dem "Aus" des VEG Saatzucht - Zierpflanzen Erfurt im Jahre 1993 wagte Siegmar Poltermann den Schritt in die Selbstständigkeit und privatisierte zusammen mit 5 Kollegen und Kolleginnen die Abteilung Stauden in der Staudengärtnerei Siegmar Poltermann. 1995 mußte er umziehen und begann mit dem Neubau auf dem jetzigen 1.6 ha großen Gelände. Der größte Teil der ca. 2000 vorhandenen Staudenarten und -sorten wird indirekt, die Spezialkulturen "Alpine Raritäten & Wildstauden" aus 5 Kontinenten werden vorrangig (u. a. auf Gartenveranstaltungen und Pflanzenmärkten) direkt vermarktet.
Noch ein Buchtipp: Die Blumenstadt Erfurt Waid - Gartenbau - iga/egapark von Martin Baumann (diente mir, neben Recherchen im Internet auch als Quelle).
Man kann viel sehen, erleben und lernen in 5 Tagen *lach* - jetzt fehlt noch der Bericht über den Besuch von Bad Langensalza und Gotha im Rahmen unserer Erfurtreise - folgt!